Als die Reste der 6. deutschen Armee Anfang Februar 1943 in Stalingrad kapitulieren mussten, gingen noch weit mehr als 100.000 Mann in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Zum Zeitpunkt der Einschließung des deutschen Großverbandes durch die Gegenoffensive der Roten Armee im November 1942 hatte dessen Mannschaftsstärke bei etwa 250.000 gelegen. Als wenige Tage nach der Einstellung der Kämpfe in Stalingrad die offizielle Zählung der deutschen Gefangenen durchgeführt wurde, waren es nur noch circa 91.000. Innerhalb der kurzen Zeitspanne waren offenkundig mehr als 10.000 weitere Männer umgekommen – durch Unterernährung, Erfrierungen, durch die Folgen von Verwundungen und Krankheiten oder eine Mischung aus alldem. Nicht mehr als 6.000 dieser zunächst überlebenden Männer sind bis 1955 nach Deutschland zurückgekehrt.
Schockiert von der unerwarteten drastischen Niederlage und entsetzt über das durch Hitlers militärisch sinnlosen Haltebefehl ausgelöste Massensterben, entschlossen sich im Sommer 1943 zunächst einige Dutzend Männer in sowjetischen Kriegsgefangenenlagern zu dem freilich desparaten Versuch, von dort aus gegen das verbrecherische Regime Hitlers und seiner Helfer anzukämpfen. Sie waren entsetzt über das durch Hitlers militärisch sinnlosen Haltebefehl ausgelöste Massensterben und empört darüber, dass die Propaganda von Joseph Goebbels das elende Krepieren von Zehntausenden in ein »Heldenlied« umzulügen begann, wonach sich angeblich alle Soldaten der 6. Armee überzeugt für das »Vaterland« geopfert hatten, während die NS-Machthaber dieses zugleich in Wahrheit mit Schande bedeckten und der größten Katastrophe seiner Geschichte entgegentrieben. Die Möglichkeit dazu bot ihnen das Regime Stalins sicherlich insbesondere aus propagandistischen Erwägungen. In die Sowjetunion emigrierte deutsche Kommunisten – darunter Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht – wurden in die Gefangenenlager entsandt, um für einen angeblich ideologische Differenzen hintanstellenden Zusammenschluss der NS-Gegner zu werben.
Am 13. Juli 1943 – vor 80 Jahren also – war es so weit: Das zunächst von 21 Kriegsgefangenen und 10 kommunistischen Emigranten unterzeichnete »Manifest des ‚Nationalkomitees Freies Deutschland« an die Wehrmacht und das deutsche Volk« wurde im Kriegsgefangenenlager Krasnogorsk unweit von Moskau beschlossen und verkündet. Sofort sollte es auch über Rundfunksendungen und Flugblätter an der Front und in Deutschland bekannt gemacht werden. Das Manifest endete mit dem Ausruf: »Für Volk und Vaterland! Gegen Hitler und seinen Krieg! Für sofortigen Frieden! Für die Rettung des deutschen Volkes! Für ein freies, unabhängiges Deutschland!«
In der Folgezeit schlossen sich dem Nationalkomitee (NKFD) weitere Kriegsgefangene an. Die sowjetischen Verantwortlichen und die deutschen Kommunisten legten besonderen Wert auf die Hinzugewinnung höherer Offiziere. Der prominenteste aus dem Kreis der gefangenen Generale war zunächst Walther von Seydlitz-Kurzbach, der sich nach schwerem persönlichem Ringen zur Mitwirkung entschloss. Erst erheblich später folgte auch Generalfeldmarschall Friedrich Paulus, der frühere Oberkommandierende der 6. Armee.
Die Bemühungen des NKFD, die besonders darauf abzielten, die Angehörigen der Wehrmacht zu einer aktiven Wendung gegen das NS-Regime zu veranlassen, blieben weitestgehend erfolglos. Bald nach der endgültigen deutschen Niederlage im Mai 1945 wurde es aufgelöst, die meisten der Kriegsgefangenen, die sich ihm angeschlossen hatten, blieben noch jahrelang in sowjetischen Lagern, während Pieck, Ulbricht & Co. daran gingen, sich mit sowjetischer Hilfe als neue Machthaber mindestens in einem Teil Deutschlands zu etablieren. In der von den zurückgekehrten Kommunisten beherrschten DDR wurde die Geschichte des NKFD zu einem Strang von deren »antifaschistischer« Vorgeschichte verklärt. In der jungen Bundesrepublik Deutschland wurde demgegenüber lange Zeit darüber gestritten, ob diejenigen, die sich als Kriegsgefangene dem NKFD angeschlossen hatten, als »Verräter« zu betrachten seien – oder ob es sich bei ihrer Tätigkeit um eine legitime Form patriotischen »Widerstands hinter Stacheldraht« handelte.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen Zeugnisse aus der Arbeit des NKFD und von früheren Beteiligten, die sich später zu ihren Motiven und Absichten geäußert haben. Besonderen Stellenwert hat dabei der beeindruckende autobiographische Roman »Odyssee in Rot«, den der aus Ostpreußen stammende Lehrer Heinrich Gerlach (1908–1991) 1966 veröffentlicht hat. Gerlach hatte als Reserveoffizier an der Schlacht von Stalingrad teilgenommen und war anschließend bis 1950 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Mitte September 1943 hatte er sich dem NKFD angeschlossen und lernte Pieck, Ulbricht und viele andere persönlich kennen. Der Roman behandelt ausführlich Gerlachs eigene Erfahrungen – thematisiert werden auch die heftigen Anfeindungen, denen sich Gerlach und andere frühere NKFD-Mitglieder in der jungen Bundesrepublik ausgesetzt sahen.