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Bild: Wikipedia
 

Veranstaltung muss leider wegen des Bahnstreiks entfallen!

Vortrag von Prof. Dr. Manfred Kittel

Der Begriff des Genozids und sein Schöpfer Raphael Lemkin.

 

Vom ukrainischen Holodomor bis zur Vertreibung der Deutschen? Der weite Begriff des Genozids und sein Schöpfer Raphael Lemkin (1900–1959)

Raphael Lemkin wurde im Juni 1900 unweit vom damals zum russischen Zarenreich gehörenden, heute weißrussischen Grodno/Hrodna geboren. Er wuchs als Kind einer polnisch-jüdischen Familie in einer Region auf, die seit jeher im politischen und ethnischen Spannungsfeld zwischen Polen, Litauen, Weißrussland und Russland lag. Frühzeitig prägten Gewalterfahrungen Lemkins Leben: Im Ersten Weltkrieg wurde seine Heimat von deutschen Truppen besetzt, der 15-Jährige schaffte es gleichwohl den Schulbesuch fortzusetzen. Im polnisch-sowjetischen Krieg 1919–1921 diente der Abiturient in einer Sanitätseinheit der polnischen Armee. Anschließend studierte Lemkin in Krakau und Lemberg/Lwiw Jura, für kurze Zeit auch Philosophie in Heidelberg. Als junger Jurist im polnischen Staatsdienst begann er sich auch mit völkerrechtlichen Fragen auseinanderzusetzen, nicht zuletzt unter dem Eindruck des Völkermordes an Teilen der armenischen Bevölkerung im damaligen Osmanischen Reich während des Ersten Weltkriegs. Damit hatte Lemkin das Thema gefunden, das ihn für den Rest seines Lebens beschäftigte: Wie konnten staatlich initiierte und gelenkte Massenverbrechen durch ein internationales Strafrecht erfasst und bestraft, ihre Wiederholung somit durch die Möglichkeit einer neuartigen, grenzüberschreitenden juristischen Verfolgung eventuell verhindert werden? Lemkins Eintreten für ein wirksames internationales Strafrecht schon seit Anfang der 1930er-Jahre stieß zunächst auf erhebliche Widerstände. Nach dem deutschen Überfall auf Polen 1939 emigrierte Lemkin zunächst nach Schweden, 1941 in die USA. Dort entwickelte er insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Massenverbrechen in Polen, der Sowjetunion und anderen Teilen Europas den Begriff des Völkermords (Genozid) weiter. 1945/46 wirkte Lemkin beim Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess als Berater des US-amerikanischen Chefanklägers Robert H. Jackson mit. Die gegen genozidale Verbrechen gerichtete Konvention der Vereinten Nationen, die am 9. Dezember 1948 verabschiedet wurde, verdankt ihre Entstehung und Formulierung maßgeblich Raphael Lemkin. Dieser wurde bis zu seinem frühen Tod 1959 mehrfach für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen und erhielt zahlreiche internationale Auszeichnungen und Ehrungen, darunter das Bundesverdienstkreuz am Bande (1955).

Manfred Kittel, als Experte für die Geschichte von Flucht und Vertreibung weithin bekannt, setzt sich mit dem von Lemkin entwickelten, seither vielfach diskutierten Völkermordbegriff auseinander und nimmt die komplizierten Fragen seiner völkerrechtlichen Anwendung in den Blick.

 

In Kooperation mit: Bund der Vertriebenen, Landesverband NRW

 

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