Der immer noch konfliktgeladene Raum des westlichen Balkans ist vielen hierzulande angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine aus dem Blick geraten – wenn denn der Blick jemals dorthin gerichtet war. Bosnien-Herzegowina ist gleichwohl bis heute einer der historisch und kulturell vielfältigsten Regionen Europas. Römer, Osmanen, Habsburger, jugoslawische Machthaber, Serben, Kroaten, Bosniaken, Christen unterschiedlicher Konfessionen, Muslime und Juden haben auf je ihre Weise das Land mitgeprägt, dort zusammengelebt und leider auch blutige Konflikte gegeneinander ausgetragen. Insbesondere seit dem Zerfall Jugoslawiens zu Beginn der 1990er-Jahre hat es dort immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen gegeben, die durch das mühsam erreichte Abkommen von Dayton 1995 in eine fragile Proporz-Ordnung überführt, aber nicht wirklich beigelegt wurden. Im Oktober 2022 fanden Parlamentswahlen statt, deren Ausgang und Konsequenzen auch hohe Bedeutung für die Frage haben, ob Bosnien-Herzegowina in absehbarer Zeit der Weg in die Europäische Union geebnet werden kann.
Erdin Kadunic, studierter Politologe und Übersetzer, stammt selbst aus Bosnien. Er unternimmt es, die unverändert komplizierte Situation dort verständlich zu machen und mögliche Perspektiven aufzuzeigen.
Die Veranstaltung eröffnet die Reihe »Bosnien-Herzegowina – Reichtum und Last der Vielfalt. Eine europäische Region in Geschichte und Gegenwart«, die zur Vorbereitung der geplanten Studienreise im September 2023 dient.