Ivo Andric (1892–1975) stammt aus Bosnien, ist Diplomat, Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger des Jahres 1961. Die Geschichte und Kultur seiner Heimat spielen in seinem Werk durchgängig eine zentrale Rolle. Ob er das ihm zugeschriebene Zitat, wonach »das Mögliche und das Unmögliche [...] letzten Endes immer dem Notwendigen gehorchen« werden, direkt auf Bosnien-Herzegowina bezogen hat, bleibe dahingestellt. Wir nehmen das aber einfach mal an und sind optimistisch für die Zukunft des Landes, auch wenn es dort noch einiges zu bewältigen gilt, was unmöglich scheint. Unmöglich etwa war es in den inzwischen mehr als drei Jahrzehnten seit 1992, in denen das Land als unabhängiger Staat existiert, sich auf eine Nationalhymne zu einigen. Es gibt zwar – nach langen Diskussionen – eine eigens komponierte Melodie und auch einen Text, konsensfähig zur wirklichen gemeinsamen Nutzung geschweige denn Identifikation zwischen den politischen und ethnischen Gruppierungen des Landes ist diese Hymne indes bislang nicht.
Die komplizierte Gegenwart Bosnien-Herzegowinas fußt, wie könnte es anders sein, auf seiner komplizierten, jedenfalls sehr wechselvollen Geschichte. Selbst wenn wir uns bei der Betrachtung dieser Geschichte auf die letzten 150 Jahre beschränken würden – also die natürlich durchaus vorhandene antike, mittelalterliche und frühmoderne Geschichte einstweilen »einfach« weglassen, damit es nicht noch viel schwieriger wird – hat das Land immer noch sechs völlig verschiedenen Staatsgebilden, beziehungsweise politischen Systemen angehört. Nämlich bis 1878 (oder 1908, je nach Lesart, da wird’s schon wieder kompliziert) dem Osmanischen Reich, dann der habsburgischen Doppelmonarchie bis 1918, dann dem »Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen« (in dessen ohnehin schon langem Staatsnamen es bezeichnenderweise unterschlagen wird), dann dem »Unabhängigen Staat Kroatien« (bei dem man darüber streiten müsste, ob es den völkerrechtlich überhaupt förmlich gegeben hat, nicht nur politisch-faktisch), dann dem kommunistischen Jugoslawien unter Josip Broz Tito und dessen Nachfolgern. Seit 1992 endlich besteht das Land als unabhängiger Staat, freilich mit erheblichen, von der internationalen Staatengemeinschaft inzwischen moderierten Konfliktpotentialen nach innen und mit den direkten Nachbarn, wobei einige »unmögliche« Lösungen noch der Einsicht der Beteiligten in das Notwendige harren, wovon die Lösung der Hymnen-Frage wohl noch am wenigsten »unmöglich« erscheint.
Wir werden also versuchen, das Mögliche und das Unmögliche mit dem Notwendigen in Einklang zu bringen und uns einen Überblick über die Geschichte Bosnien-Herzegowinas zu verschaffen.