Ilse Aichinger – Rose Ausländer – Esther Dischereit – Hilde Domin – Elfriede Gerstl – Lili Grün – Henriette Hardenberg – Mascha Kaleko – Gertrud Kolmar – Hedwig Lachmann – Else Lasker-Schüler – Selma Meerbaum-Eisinger – Lessie Sachs – Nelly Sachs – Ilana Shmueli
Jüdisch, weiblich, dichtend: diese drei Merkmale verbinden die fünfzehn porträtierten Schriftstellerinnen und prägten ihr Leben und ihre Arbeit. Das Bild der »Seiltänzerin ohne Netz«, das Mascha Kaléko für ihr eigenes Leben gefunden hat, passt auch für die anderen. Sie waren Dichterinnen, die sich am Rande des Abgrunds bewegten und nicht alle konnten sich retten. Heute sind viele von ihnen vergessen.
Seiltänzerinnen ohne Netz über einem existenziellen Abgrund balancierend waren die allermeisten dieser Frauen, die um die Jahrhundertwende geboren wurden und ihre produktivsten Jahre während der NS-Zeit hatten. Allein Hedwig Lachmann, Tochter eines jüdischen Kantors und Lehrers in Bayerisch-Schwaben und Frau des Anarchisten Gustav Landauer, starb bereits 1918. Die jüngste der Autorinnen, Esther Dischereit, wurde nach 1945 geboren. Ihre Mutter und ihre ältere Schwester überlebten als Verfolgte die Nazizeit in einem Versteck.
15 bebilderte Ausstellungstafeln und 15 Gedichttafeln erzählen von Leben und Werk dieser Frauen. Die meisten waren gut ausgebildet, sprachen mehrere Sprachen und interessierten sich seit frühester Jugend für Literatur. Sie waren in Köln geboren, in Breslau, in Elberfeld oder Berlin, in Wien oder im rumänischen deutschsprachigen Czernowitz.
Im Exil sicherten sie sich ihre materielle Existenz zeitenweise als Wäscherin (Nelly Sachs), Übersetzerin (Rose Ausländer), Kunsthandwerkerin (Lessie Sachs), Deutschlehrerin (Hilde Domin) oder Werbetexterin (Mascha Kaléko). Am Schreiben hinderte es sie nicht. Nelly Sachs sagte über ihre ersten Jahre im schwedischen Exil: »Ich schrieb, um zu überleben. Ich schrieb wie in Flammen.« Man findet Flüchtlingsgedichte von beklemmender Aktualität: »Die Fremde ist ein kaltes Kleid / mit einem engen Kragen …« (Mascha Kaléko), der Verlust der Heimat ist allgegenwärtig: »Mein Vaterland ist tot / sie haben es begraben / im Feuer ...« (Rose Ausländer). Sie schrieben an gegen Todesgefahr: »Ich möchte leben / Ich möchte lachen und Lasten heben …« (Selma Meerbaum) und schrieben Liebesgedichte an ihre Kinder: »Ein Träumer wirst du sein und dennoch kühn …« (Else Lasker-Schüler) und an ihre Liebhaber: »Wenn du mich einmal nicht mehr liebst / Dann fürchte keine Predigt …« (Lili Grün). Sie besingen die Schönheit eines Abends: »Abend, beide Hände voller Glück / Eile nicht so, bleibe, komm zurück …« (Gertrud Kolmar) oder einer Stadt: »Nachts ist Haifa / ein Muster aus Sternen …« (Rose Ausländer).
Ihre Themen sind so vielfältig wie ihre Sprache und ihre Gedichtformen. Ihren Ratschlägen zu folgen, empfiehlt sich noch heute: seine Ängste in die Luft werfen, das Haben verlernen, einen Fremden warm kleiden, sich nach Freiheit sehnen, jeden Tag ein Gedicht hersagen oder schreiben.
Die literarisch-zeitgeschichtliche Ausstellung ist eine Hommage an diese 15 außergewöhnlichen jüdischen Schriftstellerinnen und wurde erstellt von Barbara Staudacher und Heinz Hoegerle im Auftrag des Träger- und Förderverein Ehemalige Synagoge Rexingen. 2022 wurde sie erstmals im Museum Jüdischer Betsaal in Horb gezeigt.