Wenn ein renommierter Historiker sich entschließt, der eigenen Familiengeschichte nachzugehen und darüber dann sogar ein umfangreiches Werk zu veröffentlichen, ist dem sicherlich eine lange Phase des Nachdenkens und der Entscheidungsfindung vorausgegangen. Denn – abgesehen von der persönlichen Betroffenheit – weiß jemand aus der »Zunft« der professionell über Geschichte Forschenden und Schreibenden natürlich sehr genau um die Probleme von Quellenbasis und Quellenkritik, die sich bei einem derartigen Unterfangen in besonderer Weise stellen. Vieles wird in der familiären Überlieferung – oft nur mündlich – als vermeintlich sichere Tatsache mitgeteilt, was bei einer kritischen Überprüfung nach (geschichts-)wissenschaftlichen Maßstäben nicht oder nur unzulänglich belegbar ist. Und womöglich noch mehr wird oder wurde gar nicht mitgeteilt, weil aus möglicherweise sehr komplexen Gründen die Bereitschaft oder auch die Fähigkeit fehlte, darüber zu sprechen. Oder weil einfach niemand danach gefragt hat. Oder weil Erzählversuche auf Desinteresse oder gar Abwehr gestoßen sind. Oder weil Dinge, auch vermeintlich selbstverständliche, einfach vergessen wurden – wobei wohl nahezu jeder Mensch für sich persönlich sehr gut weiß, wie fließend die Grenzen zwischen Vergessen und Verdrängen sind.
Bernhard Kroener ist sich all dessen zweifellos bewusst gewesen. Als Angehöriger der ersten Nachkriegsgeneration ist er gewissermaßen von Beginn an mit den Problemen und Konjunkturen der (west-)deutschen Erinnerungskultur insbesondere bezüglich der Geschichte der NS-Diktatur aufgewachsen. In der auch diesbezüglich sehr bewegten Umbruchsphase Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre hat Kroener in Bonn sein Studium begonnen, in dessen Mittelpunkt die Geschichtswissenschaft stand. Längere Zeit hat er auch in Paris studiert; nach der Promotion wurde er dann Wissenschaftlicher Mitarbeiter des damaligen Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MFGA) in Freiburg im Breisgau, wo er später auch eine Lehrtätigkeit an der Universität aufnahm und sich habilitierte. Beim MGFA war er in das wissenschaftliche Großprojekt »Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg« eingebunden, das schließlich in 14 voluminösen Bänden bzw. Teil-Bänden zwischen 1979 und 2009 erschienen ist. In einer Vielzahl weiterer Publikationen hat sich Bernhard Kroener als führender Kenner insbesondere der deutschen Militärgeschichte ausgewiesen. Folgerichtig war es demnach, dass er 1997 auf den damals neu geschaffenen und nach wie vor in Deutschland einzigartigen Lehrstuhl für Militärgeschichte an der Universität Potsdam berufen wurde. Dort hat Prof. Kroener bis 2013 gelehrt.
Ein imponierendes Ergebnis seiner Tätigkeit seither liegt nun mit der zweibändigen Familiengeschichte »Lebensscherben – Hoffnungsspuren« vor, die soeben erschienen ist. Deren Schwerpunkt liegt auf dem 20. Jahrhundert, insbesondere der Zeit der NS-Diktatur und des Zweiten Weltkrieges, in dessen Verlauf eine ganze Reihe von Familienangehörigen Kriegsdienst leisten mussten – und die gesamte Familie war durch Flucht und Vertreibung vom Verlust der Heimat in Schlesien betroffen. Bernhard Kroener stellt dieses zweifellos exemplarische Werk vor.
Am 28. November findet diese Veranstaltung noch einmal in Kooperation mit Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott, Dollendorfer Str. 412 statt. Infos unter: www.hausschlesien.de