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»FUTURE IS NOW«

Aktuelle Projekte von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern aus Deutschland, Polen und der Ukraine

Eröffnung der Ausstellung: 5. September 2023 um 18.00 Uhr durch die Generalkonsulin der Ukraine in Düsseldorf Iryna Shum in Anwesenheit der ausstellenden Künstlerinnen und Künstler.

Am 8. September findet um 18.00 Uhr eine Kuratorenführung statt. Die Ausstellung ist Teil des Projektes »Tracks of Memory« (erinnerung-lernen.de)

Laufzeit der Ausstellung: bis 25.11.2023

Die Ausstellung ist künstlerischer Part des vom Auswärtigen Amt geförderten Projekts »Tracks of Memory« (T.O.M.). In T.O.M. geht es um den gegenseitigen Diskurs zwischen Historikerinnen/Historikern, Künstlerinnen/Künstlern und zivilgesellschaftlichen Initiativen über innovative Ansätze zur Vermittlung von Mikrogeschichte vergessener, verdrängter oder kolonialisierter Orte in Osteuropa sowie insbesondere um jüdische Spurensuche. Der Ausstellungstitel »FUTURE IS NOW« spielt mit dem Widerspruch der Gleichzeitigkeit von Zukunft und Gegenwart. Im Zusammenhang mit den Zielen von T.O.M. weist er darauf hin, dass die Zukunft in diesem Moment beginnt, dass die Erforschung und Bewahrung der Geschichte für die Zukunft des Erinnerns nicht aufgeschoben werden kann.

Wie können künstlerische Positionen zeitgenössisch auf eine rückblickende Erinnerung reagieren und den Erinnerungsdiskurs aktivieren? Welche Zugänge wählen sie, welches Publikum erreichen sie? Anlass und Motiv sind bei den ausgewählten Künstlerinnen/Künstlern sehr verschieden. Herkunft, persönliche Erfahrungen und gesammeltes Material, Reisen spielen dabei eine Rolle und natürlich das gewählte Medium – Malerei, Fotografie, Installation, Text, in welchem sie sich seit Langem bewegen. Allen sechs Künstlerinnen/Künstlern ist gemeinsam, dass sie durch ihre Kunst in neuer Form Perspektiven auf Geschichte hinterfragen bzw. beleuchten und somit die Öffentlichkeit für Themen sensibilisieren, die es zu erinnern gilt.

Lia Dostlieva & Andrii Dostliev, aus der Ukraine und Polen stammend, sehen sich als forschende Künstler und Kulturanthropologen. Ihre künstlerischen und essayistischen Themen sind die kollektiven Traumata und dekoloniale Geschichten. Ihre Arbeiten sind inzwischen so erfolgreich, dass sie auf der 60. Internationalen Biennale in Venedig den Nationalpavillon der Ukraine bespielen werden. Derzeit sind sie in der Gruppenausstellung »Immer wieder Aufbruch!« im Kolumba-Museum in Köln vertreten. In der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus zeigen sie ihre Arbeit »The Wondrous and True Story of Kubuś Hirschler«, by Lia Dostlieva, Andrii Dostliev & Stowarzyszenie Polska-Liberia, 2020« über die in Vergessenheit geratene Geschichte der Errichtung des weltweit größten Denkmals für Marschall Jozef Pilsudski (1867-1935, Begründer des modernen Polen) in Liberia. Die Installation, bestehend aus Videosequenzen, Fotodrucken, Zeichnungen untersucht nationale Mythologie, den Begriff der Dekolonisierung und Rassenfragen in der heutigen polnischen Gesellschaft.

Der Düsseldorfer Fotokünstler Thomas Koester zeigt ein großformatiges Tableau mit dem Titel ISTANBUL 2022. Die bildästhetisch bewusst in Schwarzweiß gehaltene Arbeit entstand im Rahmen seines Residenzstipendiums im Bereich Visuelle Kunst der Kunststiftung NRW in Istanbul. Durch die künstlerische Verfahrensweise montiert Koester Fragmente der Metropolitan Skyline von Istanbul, u.a. Säulen, Minarette und Skulpturen und verbindet so verschiedene Zeitlichkeit, Räume und Orte. Die Arbeit beleuchtet die verschiedenen Narrative der 2700jährigen Geschichte der Stadt, die ambivalenten Positionen aus Perspektive von Orientalismus und Okzidentalismus.

Um die Aneignung von Geschichte geht es auch in den Bildern von Jan Stieding. Der Künstler entwickelte während seiner Residence in Ein Hod/Israel eine ganze Serie von Arbeiten nach Motiven, die bei Wanderungen im Carmel Gebirge entstanden. In Malerei und Zeichnung »Locking outside« verarbeitet er die Ausblicke aus den faszinierenden Höhlenformationen des Carmel. Höhlen sind in der Kunst und Kunstgeschichte wiederkehrende Motive als Orte phantastischen, unheimlichen, romantischen oder biblischen Geschehens. Jan Stieding geht es um die Betrachtung und Fokussierung der Welt als Ganzes aus dem Inneren eines geschützten Raumes nach außen. Dieser distanzierte Blick erwirkt zugleich eine Rückbesinnung auf die alten und neuen Geschichten des Carmel, eines der frühesten Siedlungsgebiete der Menschheit, Ort der Bibel, vieler Religionen, Siedlungsort im vorstaatlichen Israel und von Holocaust-Überlebenden. Ein Teil der Arbeiten des Künstlers sind momentan im Marcel-Janco-Museum in Ein Hod/Israel zu sehen.

Ein Dutzend Arbeiten der preisgekrönten polnischen Fotografin und Dokumentarfilmproduzentin Agnieszka Traczewska, u.a. eine großformatige Fototapete, sind ebenfalls Teil der Gruppenausstellung. Sie debütierte vor 4 Jahren bereits im Polnischen Institut mit einzigartigen Fotografien aus der Welt der Chassidim, von denen eine Auswahl nun im GHH zu sehen ist. Chassiden sind ultraorthodoxe Juden, deren Vorfahren aus dem polnischen Galizien (z. T. in der heutigen Westukraine) stammen. Nach dem Holocaust zogen die Überlebenden meist nach Israel oder New York, und leben bis heute bewusst abgeschottet von der Welt. Wenn sie in regelmäßigen Abständen zu den Friedhöfen und den steinernen Überresten der Synagogen ihrer Ahnen in Bobowa. Lelów, Kalwaria in Galizien pilgern, ergibt sich ein besonderes Aufeinandertreffen von Glauben, Mythen, Erinnerung und Verlust. Der Fotografin Traczewska ist es als eine der wenigen erlaubt, dies in eindringlichen Bildern für die Außenwelt festzuhalten. Momentan bereitet sie eine Einzelausstellung im Museum der Juden Galiziens in Krakau vor.

Die in Tscherniwzi/Czernowitz geborene ukrainische Künstlerin Olha Trehubova, die bereits im vergangenen Jahr während ihres Stipendiums der Stiftung Kunstfonds im Gerhart - Hauptmann - Haus ausstellte, zeigt Malerei und Papierarbeiten. Sie verarbeitet Motive aus ihrem alltäglichen Umfeld, zu dem auch der russische Angriffskrieg gegen ihr Heimatland Ukraine und die Zerstörungen und Fluchterfahrungen zählen. Sie inszeniert diese Objekte und Momente auf der Leinwand oder dem Papier und fixiert sie tief im Gedächtnis des Betrachters, als Ausgangspunkt für eine Sichtweise auf die Zukunft, die verstetigte Erinnerung braucht.

 

In Kooperation mit: Generalkonsulat der Ukraine in Düsseldorf, Polnisches Institut Düsseldorf, Erinnerung Lernen, Galizisches Jüdisches Museum Krakau

ⓘ Kontakt Ausstellung und Sammlung

Dr. Katja Schlenker
0211 / 16991-23

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