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Als sich nach dem Zusammenbruch der Monarchien im Anschluss an den Ersten Weltkrieg und der Wiedererrichtung des polnischen Staates die Frage nach dessen Grenzen stellte, rückte Oberschlesien mit seinem Industrierevier in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Sollte die mehrsprachige und multikulturelle - dabei aber erzkatholische - Region bei Deutschland verbleiben oder polnisch werden? Darüber sollten die Oberschlesier und Oberschlesierinnen in einer Volksabstimmung entscheiden. Im Zuge des Abstimmungskampfes rückten vor allem zwei Oberschlesier in den Vordergrund, die in besonderer Weise die vielschichtige oberschle-sische Identität und Seele verkörperten: Prälat Carl Ulitzka und Wojciech Korfanty. Während der in Jernau im Landkreis Leobschütz geborene und in der Bevölkerung hoch angesehene katholische Geistliche und Reichstagsabgeordnete der Zentrumspartei Ulitzka seine Kraft für einen Verbleib Oberschlesiens bei Deutschland widmete, kämpfte der in Siemianowitz geborene und langjährige Reichstagsabgeordnete der Polnischen Fraktion und Publizist Wojciech Korfanty für den Anschluss der Region an Polen, wo er für die einheimische oberschlesische Bevölkerung die besseren Zukunftsperspektiven sah. Dabei waren sich aber beide im Klaren darüber, dass für die jeweilige Minderheit Schutz und Rechte zu gewährleisten waren, womit sie ihrer Zeit weit voraus waren.
Während Ulitzka in Deutschland weitgehend in Vergessenheit geraten ist, wird an Korfanty in Polen in diesen Tagen als Patrioten erinnert, ohne dessen Einsatz ein Teil Oberschlesiens nicht polnisch geworden wäre. Der 100. Jahrestag der Volksabstimmung in Oberschlesien bietet einen willkommenen Anlass, um einen genauen Blick auf beide Persönlichkeiten zu werfen, die Motivationen ihres Handelns kennenzulernen, ihren weiteren, teils tragischen Lebensweg zu beleuchten und nach ihrer heutigen Bedeutung für die im Herzen Europas liegende Region Oberschlesien zu fragen.
In Kooperation mit: Oberschlesisches Landesmuseum