Am 27. März 2022, etwa einen Monat nach der Ausweitung des russischen Angriffskrieges auf die gesamte Ukraine, ziehen einige hundert Fahrzeuge in einem Korso von Köln zum sowjetischen Ehrenmal nach Bonn. Damit wird eine deutschlandweite Kampagne von pro-russischen Demonstrationen eingeleitet. Die Parallelen zum Fall Lisa 2016 und den pro-russischen Autokorsos gegen eine angebliche Diskriminierung 2022 sind auffällig. Die im Januar 2016 erfundene Vergewaltigungsgeschichte eines minderjährigen Mädchens, das behauptete von südländischen Migranten entführt und vergewaltigt worden zu sein, führt damals zu deutschlandweiten Protesten von bis zu 10.000 russischsprechenden Menschen, davon etwa 1.000 vor dem Kanzleramt in Berlin. 2022 hingegen lassen sich viele kleinere, regionalbeschränkte Vorfälle beobachten. Und erneut lassen sich viele Menschen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion von der russischen Propagandamaschine einspannen. Es stellt sich die Frage: Handelt es sich bei diesen Menschen tatsächlich um eine russische Diaspora, die im Sinne einer Volksdiplomatie à la Russe agiert? Folglich eine gesellschaftliche Bewegung im Sinne des Kremls formiert, um aktiv an der Meinungsbildung in Deutschland mitzuwirken? Lässt sich ohne Weiteres das russische Wording von einer Diaspora und damit die Deutung (framing) und Schwerpunktsetzung (agendasetting) des Kremls in Bezug auf die postsowjetische Migration in Deutschland übernehmen? Diese und anderen Fragen im Kontext des ausgreifenden russischen Staates und den sogenannten postsowjetischen Migranten stellt Dr. Felix Riefer in einem Vortrag und Diskussion.
Dr. Felix Riefer ist Politikwissenschaftler aus Bonn. Er hat zu Russlands Außenpolitik unter Putin 2000–2018 promoviert. Er studierte Politikwissenschaften, Regionalstudien Ost- und Mitteleuropas und Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln und an der Sciences Po – Paris School of International Affairs (PSIA). Schwerpunkte seiner Arbeit sind Russland, der postsowjetische Raum und die Forschung zu russlanddeutschen (Spät)-Aussiedlern. Riefer ist Beiratsmitglied des Lew-Kopelew-Forum.
Eine Veranstaltung im Rahmen der Russlanddeutschen Kulturtage 2023. Gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW.